Ausgabe Juni / Juli / August 2021

Lachen hat seine Zeit

Allenthalben macht sich Optimismus breit: Der Stand der Impfkampagne lässt Vorfreude auf den Sommer aufkommen, Menschen fangen wieder an zu planen – allem voran all‘ die schönen Anlässe, die nun endlich nachgeholt werden sollen, wie Hochzeiten, runde Geburtstage und Taufen; Mutige buchen Konzertkarten, Urlaubspläne werden geschmiedet und der Dax erklimmt schwindelerregende Höhen. Auch vielen Menschen geht es gut. In Gesprächen wird mir öfters zugeraunt: Frau Pfarrerin, uns geht es prächtig in dieser Zeit, endlich kommen wir mal zu Sachen, die wir uns immer schon mal vorgenommen haben, aber pst!!, sagen Sie es keinem weiter.

Nachdenklich bleibe ich an der letzten Bemerkung hängen. Warum soll ich es für mich behalten, wenn es jemandem gut geht? Weil es anderen schlecht geht und damit meldet sich dann ein schlechtes Gewissen angesichts des eigenen positiven Empfindens? Hat manch einer vielleicht Angst als unempathisch zu gelten, nur weil er das Beste aus der Situation macht?

Der Prediger des Alten Testaments gibt Entwarnung: Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; … weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit … (Pred 3)

Foto/Text: Lotz

Ja, weinen hat seine Zeit und wenn wir trauern, brechen sich die Tränen Bahn. Aber wie ist es mit der Freude und dem Lachen? Müssen wir die verheimlichen und wenn ja, warum? Weil wir denken, dass uns andere die Freude nicht gönnen? Weil es in einer im Grunde für alle belastenden Situation als unschicklich gelten könnte? Womöglich auch, weil man denkt, dass die Pfarrerin nur das Schwere und Traurige hören möchte, damit sie dann – vermeintlich ganz im Einklang mit ihrer Profession – Trost spenden kann? Ich weiß es nicht und Rückfragen stürzen wiederum meine Gesprächspartner in Verwirrung.

Auf jeden Fall finde ich es weder angenehm, noch erstrebenswert, den Fokus immer auf das Schlechte zu richten und das Glas immer nur halbvoll zu sehen. Das ist wie ein seelisches Virus, das uns nicht nur am Glücklichsein hindert, sondern das zudem auch kein gutes Glaubenszeugnis ist. Friedrich Nietzsche sagte dazu: „Die Christen müssten mir erlöster aussehen. Bessere Lieder müssten sie mir singen, wenn ich an ihren Erlöser glauben sollte.“ Das meint nun keinesfalls ein Dauergrinsen, das alles Schlimme ausblendet. Aber haben wir nicht allen Grund als von Gott geliebte Kinder, zudem mit einer Hoffnung gesegnet, die das Irdische sprengt, im tiefsten Inneren eine Freude zu haben, die nach außen drängt? Sollten wir nicht mehr davon erzählen, was uns trägt und zuversichtlich macht als von dem, was schwierig und traurig und schlimm und schlecht und…ist?

Herzlichst – Ihre Pfarrerin Almuth Wisch