Ausgabe März, April, Mai 2023

Die Taube - Gemeindebrief aus Lehnin
Foto: Neetz

Wie schön ist es, dass die Tage wieder länger werden. Spürbar länger werden. Es wird wärmer, die Natur erwacht. Und jedes Jahr aufs Neue werden unsere Lebensgeister sanft geweckt nach der trüben Zeit der Tristesse.

Auf den längsten und hellsten Tag steuert der Frühling zu: auf den Johannestag am 24.6. Er ist das Pendant zum Heiligen Abend. Längster Tag – kürzester Tag. Johannes – Jesus. Johannes der Täufer, der Prophet und Prediger, der die Leute aufrüttelt und sich dabei der Tatsache bewusst ist, dass sein Stern am Sinken ist; dass das wahre Licht mit Jesus in die Welt gekommen ist. Mit ihm wird es heller, während es für Johannes ziemlich schnell ziemlich finster wird.

„Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!“ – so predigt er den Leuten, die zu ihm an den Jordan gekommen sind. Buße – ein altertümliches Wort. Es sperrt sich gegen Vereinnahmung und Psychologisierung. Es klingt fremd, wie aus einer anderen Welt. Völlig verstaubt und mittelalterlich kommt es daher.

So steht er da, der Johannes in seinem Nomadenaufzug und ruft das Wort von der Buße. In so gar nicht wohlgesetzten Worten. Lesen Sie es nach, wie er die Menschen geradezu beschimpft, die sich zu ihm aufgemacht haben (Matthäus 3; Lukas 3). Nicht fein!

Am Jordan gibt es heute haufenweise Taufstellen und von jeder einzelnen wird behauptet, es sei die originale, die, an der Johannes damals predigte und taufte.

Der Jordan fließt ins Tote Meer. Das heißt nicht umsonst so. Für eine Stelle des Flusses gibt es eine Legende. Dort soll den Fischen, die unterwegs sind in Richtung Totes Meer, ihr Instinkt ein Signal geben. Dieser Instinkt ‚sagt‘ ihnen, dass es Zeit wird, umzukehren. Das Wasser im Jordan wird immer salziger und damit bedrohlich, lebensbedrohlich. Drehen die Fische nicht rechtzeitig vor der Mündung um, schaffen sie es nicht mehr. Angeblich hat Johannes genau an der Stelle, an der die Fische für gewöhnlich umkehren und den Jordan wieder hinaufschwimmen, zu den Menschen gepredigt und sie getauft. Seine Botschaft war so eindeutig wie die der Fische: „Wenn ihr eurem Leben keine andere Richtung gebt, landet ihr im Toten Meer. Vertraut nicht mehr auf eure alten Überlebensstrategien, wascht eure bisherigen Denkweisen und Gewohnheiten ab, orientiert euch neu.“ Seine Zuhörer kannten den Jordan; sie wussten, wie schön und angenehm es an seinen Quellen ist, fast schon paradiesisch. Die Umkehr lohnte sich also.

Taufe

Zwar haben wir Menschen ein Gespür dafür, dass etwas schiefläuft – aber während für Fische Umkehren eine Frage des Instinktes ist, ist Umkehr für Menschen eine Frage der Entscheidung. Das ist oft schwer, denn man kann sich ja auch an die schiefen Dinge gewöhnen.

Für die Fische im Jordan ist die Umkehr im wahrsten Sinn des Wortes lebensnotwendig. Schwimmen sie zu weit, sind sie in dem Bereich, wo das salzige Wasser des Toten Meeres bereits seinen Rücklauf in den Jordan hat. Dann ist es zu spät. Da haben sich Süß- und Salzwasser derart vermischt, dass es tödlich ist. Das Ende ist besiegelt. Eine kluge Wahl der Taufstelle also. Großes Kino vor 2000 Jahren!

Für uns, für Sie und mich, ist Umkehr (hoffentlich) eher nicht eine Frage auf Leben und Tod. Und wohl (ebenso hoffentlich) auch keine einmalige Sache. Etwas zum Üben:

Sehen üben, wo was schiefläuft im eigenen Leben oder ich vielleicht den Kopf schiefhalten muss, um ein gerades Bild zu erhalten;
sehen üben, wo ich einen neuen Weg einschlagen sollte;
sehen üben, welche Hindernisse weggeräumt werden können, statt sie immer wieder zu umgehen.

Ja, und dann das Umkehren üben. Nicht zwingend immer gleich 180°. Wege begradigen oder eine zackige Kurve nehmen – je nachdem. Sich nicht entmutigen lassen, es immer wieder versuchen.

Die Erinnerung an die eigene Taufe kann dabei hilfreich sein. Die Besinnung auf das, was mich tragen will und was ich leider so oft vergesse. Dann ist die Taufe sowas wie ein Lottoschein mit sechs Richtigen, den ich nie einlöse. Wie schade. Sich hingegen an der Taufe immer wieder auszurichten, sie sich in Erinnerung rufen – wie Martin Luther: „Ich bin getauft!“, sich ihrer zu vergewissern, ist ein großer Gewinn. Probieren Sie es aus!

Herzlichst, Ihre Pfarrerin Wisch