Ausgabe März / April / Mai 2021

Die Taube - Gemeindebrief aus den Lehniner Kirchengemeinden

Geduld ist eine Gottesgabe

Das Wort „Wettlauf“ zaubert sofort Bilder in meinen Kopf: Kinder mit hochrotem Gesicht, verschwitzt und völlig außer Atem; Sportler im Stadion, die später mit Medaille auf dem Podest stehend einer Nationalhymne lauschen. Um Schnelligkeit geht es, ein bisschen auch um Strategie. Wer einen Wettlauf gewinnen will, muss viel trainieren und darf darin nicht nachlassen.

Gelegentlich wird die derzeitige Situation der Pandemie mit einem Wettlauf verglichen. Dazu brauchte es den Impfstoff. Mit ihm kann der Wettkampf beginnen. Wünschenswert ist, dass es eine große Differenz zwischen den beiden ‚Wettläufern‘ gibt. Kein Kopf-an-Kopf Rennen wollen wir hier sehen, sondern am besten den einen schon am Ziel, während der andere noch im Startblock festhängt… Hier kämpft Impfen gegen Virusausbreitung. Die Strategie dieses Wettkampfs können wir teilweise mitbestimmen. Die Impfungen müssen schneller sein als die Verbreitung des Virus. Weder das eine noch das andere kommen eigenständig voran. Beide sind auf uns Menschen angewiesen. Wir sollten schnell mit den Impfungen vorankommen, uns ansonsten aber in Langsamkeit üben. Langsamkeit, kleiner Aktionsradius, wenige Begegnungen – damit kann das Rennen gewonnen werden. Ein Gedanke, der mich schmunzeln lässt, werden Wettläufe doch sonst damit verloren!

Geduld ist eine Gottesgabe, wie ein Feld mit bunten Blumen

Das Impftempo haben wir nicht in der Hand. Hier müssen wir uns auf andere verlassen: Wirtschaft, Politik, Logistik im Gesundheitswesen. Da können wir höchstens meckern, weiter nichts. Aber den anderen Wettläufer, den steuern wir selbst. Wir können dafür sorgen, dass er so langsam wie möglich ist, dass er Abstand hält und was immer wichtiger wird: dass er geduldig bleibt. Denn dass uns diese ausgeht, wundert nun ja wirklich keinen mehr. Dachten wir am vergangenen Jahresende noch, dass wir den Zielpunkt vor Augen haben, ist uns dieser inzwischen abhanden gekommen. Er liegt irgendwo hinter dem Sommer, im Herbst, vielleicht auch erst im Jahr 2022. Wie soll man da Geduld haben? Wir wissen es doch: Wenn kein Ende in Sicht ist, ist alles vielfach schwerer. Wir wissen zwar um das Ziel, aber es schwebt irgendwo am Horizont. Und so sehr wir ihm entgegenlaufen – es bleibt immer in einer unbestimmten Ferne.

Das ist ganz schön zermürbend! Da werden selbst ansonsten entspannte Menschen ungeduldig. Schließlich verzichten wir ja nicht auf irgendwelche Luxussachen, sondern auf elementare menschliche Bedürfnisse: Gemeinschaft, Körperkontakt, Vertrauen, dass mir beim anderen nichts Schlimmes passieren kann.

Wie kann man den Enkeln verständlich machen, dass man sie aus Liebe nicht auf den Arm nimmt und knuddelt? Wie dem dementen Vater klarmachen, dass man nicht reinkommen, sondern nur am Fenster vor dem Altersheim stehend versuchen kann, mit ihm zu reden? Die Pandemie geht quer durch unsere Familien; Ehepaare sind in der eigenen Wohnung getrennt von Tisch und Bett, weil einer mit Erkrankten in Kontakt war. Normal ist das nicht. Da kann einem schon mal der Geduldsfaden reißen. Ein ganzes Jahr geht das nun bereits.

„Gib Geduld, Herr, aber flott!“ – ein Spruch, der unser Dilemma auf den Punkt bringt und gleichzeitig humorvoll auf das eigene Unvermögen schaut. In der Bibel wird Geduld als eine Frucht des Heiligen Geistes bezeichnet (Gal 5,22), genau wie Liebe, Hoffnung, Friede und vieles andere mehr. Das tröstet mich, habe ich doch mit der ganzen langen Reihe der Geistesgaben so meine Schwierigkeiten. Warum sollte das mit der Geduld anders sein? Also bitte ich Gott darum. Dann weiß ich zwar noch immer nicht, wann nun endlich das Ende des Wettlaufs sein wird, aber ich bin gestärkt im Vertrauen auf Gott.

Lassen Sie uns den Wettlauf gewinnen. Mit Geduld und Langsamkeit!

Herzlichst – Ihre Pfn. Almuth Wisch