Die Taube – Ausgabe März, April, Mai 2025

Unser Gemeindebrief 'Die Taube' - Ausgabe 1/2025

Abschied und Ausblick

Im Dezember 2024 haben wir uns in Lehnin von der Frauenhilfe verabschiedet, in sehr kleiner Runde im Café Kirstein. Ein Quintett waren wir zum Schluss, mit vier Damen (einschließlich meiner Frau) und mir. Ein Abschied tut fast immer weh, umso stärker, wenn man sich von einer guten, altbewährten Einrichtung trennt, die sich mangels „personeller Masse“ nicht mehr halten lässt.

Der Lehniner Pfarrer Johann Oskar Müller gründete zu Kaisers Zeiten einen „Kirchlichen Frauenverein“, der von seinem Nachfolger, dem späteren Superintendenten Martin Gielen in „Evangelische Frauenhilfe“ umbenannt wurde, sicherlich im Hinblick auf die von der letzten deutschen Kaiserin Auguste Viktoria mit ins Leben gerufenen caritativen Einrichtung auf Kirchengemeindeebene. Die Frauenhilfe sollte, wie der Name sagt, Bedürftige – in welcher Hinsicht auch immer – unterstützen, Kranke aufsuchen, Wöchnerinnen pflegen helfen und dergleichen mehr. Der Schwerpunkt lag stets auf der Tätigkeit für sozial Schwache, in einer Ära, wo staatliche Hilfe zwar schon gewährt wurde, aber im zunächst eher engen Rahmen.

Als ich von Carsten Schmolke einerseits und Superintendent Teichmann andererseits die Frauenhilfe vor fast dreiundzwanzig Jahren übernahm, saßen wir an langer, langer Tafel im Gemeindehaus Goethestraße, dem Altbau des nun gerade entstandenen Kirchenkreis-Zentrums. Frau Birke bereitete alles vor, deckte die Tische, sorgte für Atmosphäre. Nein, schon damals war die Frauenhilfe keine Frauenhilfe im ursprünglichen Sinne mehr, man hielt gemeinsam Andacht, betete und sang, trank fallweise Kaffee. Und man unterhielt sich, beredete Themen aller Art. Die Damen in der Runde waren selbst in die Jahre gekommen, suchten Gemeinschaft und geistliche Stärkung; soziale Dienste hatten längst andere Institutionen übernommen. Auf meiner Netzener Pfarrstelle mit der 1927 gegründeten Frauenhilfe verhielt es sich ganz genauso. Ausflüge gehörten außerdem dazu, solange sich die Mitglieder solche Fahrten noch zutrauten. Ein wenig symbolisch wirkt es schon, daß ganz in der Nähe unserer alten geselligen Tafel nun das Diakonische Werk eine „Filiale“ hat; die Zeiten haben sich gründlich geändert, auch auf diesem Gebiet.- Zum Treffen am Nikolaus- Tag erschien viele Jahre in großer Treue Stiftspfarrer Werner Nicklaus, nomen est omen, begleitete unseren Gesang instrumental und gestaltete auf die Weise unsere vorweihnachtliche Gemeinschaft mit.

Aber die Reihen lichteten sich, die Damen waren nicht mehr in der Lage teilzunehmen oder wurden heimgerufen. Ilse Simon übernahm das Amt der Vorbereitung von der verstorbenen Frau Birke, um es schließlich an meine Frau abzugeben. Zudem wurden wir mehr oder minder heimatlos. Im Gemeindehaus konnten wir nicht mehr tagen, wichen in die Superintendentur aus, wo es auch nicht immer möglich war, und fanden schließlich noch Asyl in der Sakristei der Klosterkirche. Unsere Nikolaus- Feiern hatten wir lange im Café des „Klosterladens“ begangen, bis dieser sinnigerweise vom EDBTL geschlossen wurde. Nun blieben uns lediglich Café Fiedler oder Kirstein, nicht unbedingt praktikabel, weil diese Cafés kein Séparé haben, wo man wirklich ungestört bleibt und nicht befremdet angeblickt wird, wenn die Aufforderung „laßt uns beten“ zu hören ist. Gottes Segen, darf ich wohl behaupten, hat auf dieser Einrichtung viele, viele Jahrzehnte gelegen.

Unser Gemeindebrief 'Die Taube' - Ausgabe 1/2025

In dem Zusammenhang kam mir unsere Jahreslosung aus dem Ersten Thessalonicher-Brief in den Sinn, die Aufforderung, alles zu prüfen und das Gute zu behalten. Auch die Lehniner Frauenhilfe ist auf ihre Art geprüft worden, über viele Jahrzehnte und schlimme Zeiten hinweg, begann ihre Tätigkeit, als Europa hell und glänzend schien, um alsbald in Blut und Tränen zu versinken. Sie blieb ihrer Arbeit treu in arger Not der Zwanzigerund übler Entwicklung der Dreißigerjahre, überstand einen weiteren Krieg und wußte sich danach zu behaupten in einem System, das Kirche und Christentum herzlich verachtete. Einen weiteren gewaltigen Umbruch erlebte sie, und dann erwies es sich, daß ihre Zeit schlicht vorüber war. Sie wurde geprüft, wieder und wieder. Wir werfen sie nicht weg, nein, aber halten können wir sie auch nicht mehr. Gottes Wort und Gebot ist unveränderlich, die Form, in der man es weitergibt und praktiziert jedoch nicht. Suchen wir also andere Formen, überlegen wir immer aufs neue, wie Nächstenliebe und Verkündigung kombiniert geübt werden können. Prüfen wir, sortieren wir, trennen wir uns nötigenfalls – auf Christi Segen dürfen wir vertrauen!

A. Babin