Ausgabe September, Oktober, November 2022

Coverbild des Gemeindebriefes

Erntedank

Das Erntedankfest feiern wir am ersten Sonntag im Oktober. Den Termin verdanken übrigens dem preußischen König Friedrich II. Allerdings war seine Anordnung so, dass der erste Sonntag nach dem Michaelisfest, das immer am 29. September gefeiert wird, als Festtag festgelegt wurde. Das war im Jahre 1772. Wer Jubiläen liebt, der könnte also das 250jährige feiern!

Nachdem der Termin geklärt ist, bleibt die Frage, was feiern wir da eigentlich? Es sind nur einige Glieder unserer Gemeinde, deren Leben von einer guten Ernte ganz direkt abhängt. wohl haben wir alle mit sehr tiefer Sorge die große Trockenheit, und die Waldbrände in diesem Jahr erleben müssen. Manche haben sich über den braun werdenden Rasen geärgert aber hoffentlich nicht mit Leitungswasser geholfen. Eine gute Ernte entscheidet möglicherweise über Preise, aber sehr selten über unsere Existenz. Trotzdem feiern wir diesen Tag. Wir erinnern uns an all das, wofür wir dankbar sind. Das sind Gemüse, Früchte, Eingewecktes und auch einfach Brot. Was täglich Brot bedeutet, soll nicht vergessen sein. Für viele Menschen hängt das Überleben daran. Die schwierigen Verhandlungen über Weizenlieferungen haben das uns allen sehr deutlich gemacht. Was wir weniger hörten, es ist eigentlich genug Getreide und also auch genug für Brot für alle da. Nur nut-zen wir es nicht nur zum Backen, wir verfüttern es an Tiere. Nur 20% der deutschen Getreideproduktion wird direkt zu Mehl verarbeitet, der Rest geht im wahrsten Sinne des Wortes vor die Schweine, oder wird gar zu Biotreibstoff vergoren. Es scheint so dass wir ein Verteilungsproblem haben. Ich denke an die Geschichte von Jesus von der gewaltigen Menschenmenge, die von fünf Broten und zwei Fischen satt wurde, nachdem Jesus das Segens-und Dankgebet gesprochen hatte. Es ist eine Wundergeschichte und erzählt davon was Dank, auch Erntedank vermag.

So erzähle ich Ihnen heute noch eine kleine, schon ältere Geschichte, die mich sehr bewegt hat, als ich sie las. Sie handelt von einem halben Schwarzbrot. Es war kurz nach dem Krieg, als man Brot noch mit ganz anderer Wertschätzung begegnete als heute. Ein Landarzt war krank und lag selber im Bett. Schwach und einfach erschöpft vom vielen Unterwegssein, ging es ihm schlecht.

Der Kollege, der ihn besuchte, murmelte unter sorgenvoller Miene etwas von kräftiger Nahrung, von gutem Schwarzbrot in seinen Bart, aber helfen konnte er nicht. Da brachte einer aus dem Dorf ein halbes Schwarzbrot vorbei, das er von Soldaten der Besatzungsarmee geschenkt bekommen hatte. Der Doktor möge es sich schmecken lassen und bald wieder gesundwerden. Nun war aber zur gleichen Zeit die Tochter des Nachbarn krank. So schickte der alte Landarzt seine Frau mit dem Brot zum Nachbarn:

„Was soll ein alter Mann wie ich damit, das Kind braucht es nötiger als ich!“ Später stellte sich heraus, dass die Nachbarn es nicht behalten hatten, sondern der Flüchtlingsfrau hatten eine Freude machen wollen, die auf dem Dachboden Quartier bezogen hatte und die so traurig war, weil sie ihren Mann verloren hatte. Diese aber behielt das Brot nicht, sondern brachte es ihrer Tochter, die einige Häuser weiter mit zwei Kindern in einer Kellerwohnung Zuflucht gefunden hatte. Diese entschloss sich, das Brot dem Doktor zu bringen, der einen ihrer Söhne gesundgemacht hatte und sich nicht einmal die Medikamente hatte bezahlen lassen wollen. Sie hatte gehört, dass er krank sei und so wollte sie das halbe Brot als Dank dorthin bringen! So lief sie in das Haus des Doktors und gab es dessen Frau. Die erkannte noch am Papier das Brot wieder und brachte es ihrem Mann, der im Bett lag. Tief bewegt hielt er es in der Hand. „Solange noch solche Liebe unter uns ist, dass Menschen ihr letztes Stück Brot teilen, so habe ich keine Furcht um uns.“, sagte dieser.

Ja, wer dankend wahrnimmt, wie reich wir beschenkt sind, teilt. Mit Menschen in der Nähe oder auch weiter weg. Ein fröhliches Erntedankfest, auch als Fest des Teilens, Ihnen allen!

Ihr Pfarrer Friedrich Demke