Die Taube – Ausgabe Juni, Juli, August 2025

Unser Gemeindebrief 'Die Taube' - Ausgabe 2/2025

Vom Beten mit und ohne Feuer

Meine Tante Martha war eine Frau von echtem Schrot und Korn, wie man so sagt. Zu Gott hatte sie, so schien es allen um sie herum, selbst dem Herrn Pfarrer, einen direkten Draht. Oft hat sie bei besonderen Anliegen in der Kirche eine Kerze entzündet und kommentierte das mit den anschaulichen Worten: Ich mach dem Herrgott mal ein bisschen Feuer unterm Hintern! Das war weder respektlos noch unfromm gemeint, sondern eher vertraulich. Sie war fromm genug, um Gott mit ihren Anliegen notfalls auf die Nerven zu gehen, aber auch so lebenserfahren, dass sie wusste, dass Gott nicht alle Wünsche erfüllte. Sie war dennoch – oder womöglich gerade deshalb – enorm motiviert, was das Beten anging. Dass man sich beim Beten weder verstellen noch zurückhalten muss, habe ich, so glaube ich rückblickend, auch von ihr gelernt.

Wie anders ist das Beten beispielsweise im Gottesdienst. Diesen Artikel schreibe ich nach einem erfüllten Wochenende mit den Konfirmandinnen und Konfirmanden unserer Region. Unter anderem haben wir da den Vorstellungsgottesdienst vorbereitet und dann auch gemeinsam gehalten. Mit einer Gruppe junger Leute war ich für die Gebete im Gottesdienst verantwortlich. Beten – nicht selten ein heikles Thema, wenn es in offenen Runden besprochen wird. Die Jugendlichen waren allerdings freimütig und unbefangen.

Unser Gemeindebrief 'Die Taube' - Ausgabe 2/2025

Wir haben uns also zunächst mit verschiedenen Gebetsformen und Gebeten in der Bibel beschäftigt. Wir haben überlegt, was wir alles vermeiden wollen: abgehobene Sprache, Moralappelle – an wen auch immer, fromme Worte ohne den Willen, diesen auch Taten folgen zu lassen, Unwahrhaftigkeit und die Beschränkung auf unsere Gruppe. Die Fürbitte im Gottesdienst sollte inhaltlich bei der Predigt anknüpfen und dennoch darüber hinausgehen. Sie soll einerseits konkret sein, andererseits so, dass möglichst die gesamte Gemeinde innerlich einstimmen kann. Und obendrein soll es die versammelte Kirchengemeinde vor Ort wie die weltweite Christenheit umfassen. Ja, und sprachlich weder Jugendjargon noch pathetisch.

Wie auch immer: mit wohlgesetzten Worten oder frei von der Leber, vorformuliert oder vielleicht sogar stotternd vor Not – Gott hält alles aus. Er erfüllt nicht alle unsere Wünsche, aber er bleibt bei seinen Zusagen, dass er uns hört und hält, egal was kommt.

Unser Gemeindebrief 'Die Taube' - Ausgabe 2/2025

Was haben wir es gut, mit diesem menschenfreundlichen Gott! Er versteht uns, wenn wir umständlich nach Worten ringen, während wir mit ihm reden, wie uns der Schnabel gewachsen ist und sogar, wenn uns die Worte ganz fehlen.

Dass Sie das erfahren, wünsche ich Ihnen von Herzen,

Ihre Pfarrerin Almuth Wisch