Ausgabe Juni, Juli, August 2022

Coverbild des Gemiendebriefes
Foto: Lotz

Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott.

Dieses Wort aus Psalm 42 ist der Monatsspruch für den Juli. Mitten im Sommer kann man schon mal großen Durst haben. Aber natürlich meldet er sich auch sonst zwischendurch. Die Fachleute sagen, dass es dann schon sehr spät ist. Man soll so trinken, dass es gar nicht dazu kommt. Wohl jeder kennt das Gefühl, dermaßen ausgedörrt zu sein, dass man den Inhalt eines Glases regelrecht herunterkippt und danach erstmal nach Luft schnappen muss. Am besten ist es, Durst mit Wasser zu stillen. Aber ach, es gibt ja noch unendlich viele andere Getränke: Kaffee oder Tee, Saft oder Nektar, Limonade oder Cola, Bier oder Wein, Likör oder Schnaps. Normalerweise greift man bei Durst wohl eher nicht zu Schnaps, eine süße Limo wird von nicht wenigen bevorzugt. Oder den ganzen Tag Kaffee – so kommt auch der eine oder die andere zurecht.

Nun, im Psalm geht es ja nicht um den Durst unseres Körpers, sondern um den der Seele. Was für ein Bild: auch die Seele kann austrocknen! Sie kann vernachlässigt werden und verkümmern. „Der hat keine Seele.“, so sagt man von einem gefühlsarmen, empathie- und gewissenlosen Menschen; von jemandem, der innerlich arm ist und dem andere Menschen egal sind. Ein seelenloser Mensch geht über Leichen – im übertragenen Sinne, aber auch in Wirklichkeit. So erleben wir es leider gerade und jeder Mensch mit einer Seele, kann darüber nur fassungslos sein.

Den Durst der Seele können wir, wie den Durst unseres Körpers, mit verschiedenen Dingen stillen. Ebenso, wie es in Ordnung ist, auch mal ein Sektchen zu trinken oder das Feierabendbier, ist auch unsere Seele offen für verschiedene Dinge, die ihr guttun. Kunst, Liebe, Selbstfürsorge, Meditation, ein guter Film, Reisen, Geselligkeit… ja mitunter ist auch das, was dem Körper zugutekommt, wertvoll für die Seele, Sport zum Beispiel. Seelische Gesundheit ist auch nicht mehr nur ein Terminus einer exotischen Szene, sondern wird zunehmend selbstverständlich thematisiert. Das ist gut!

Neulich bekam ich die Rückmeldung einer Gottesdienstbesucherin, wie gut Gottesdienst ihrer Seele tut. Ja, genau, dachte ich, das ist das, was Gottesdienst will. Die Sehnsucht der Seele, ihren Durst, benennen, stillen, weiterbringen… Die Seele, sie hat Fragen und Bedürfnisse, die unsere menschlichen Erfahrungen übersteigen. Da berührt sie das Göttliche. Das würde zumindest ich sagen. Aber längst haben wir als Kirche mit unseren Sinn- und Deutungsangeboten nicht (mehr?) den einzigen Stand auf dem Markt der Möglichkeiten. Die Menschen lassen sich anregen, verschiedene Dinge auszuprobieren und sich selbst einen ‚Cocktail‘ zusammenzustellen. Wenn wir uns – um im Bild zu bleiben – nun mit unserem Marktstand samt unseren Zutaten zurückziehen, wird uns nach einer Weile womöglich niemand wirklich vermissen. Was bieten wir an, was uns unverzichtbar macht? Was ist das Besondere, von dem wir wollen, dass möglichst viele Menschen davon erfahren? Sollten wir nicht deutlicher davon reden und mit unserem Leben zeigen, was uns trägt im Leben und im Sterben (Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben? Heidelberger Katechismus-Frage 1), damit andere eine Chance haben, ihren Durst der Seele zu stillen? Sehr aktuell sind diese Fragen, sowohl individuell als auch für uns als christliche Gemeinschaft. Darum sollten wir darüber miteinander ins Gespräch kommen. Denn wie der Psalmbeter sagt: „Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann werde ich dahin kommen, dass ich Gottes Angesicht schaue?“

Herzlichst, Ihre Pfarrerin Almuth Wisch